Sport beherrscht die Medien wie kaum ein anderes Thema. Dementsprechend groß sind die Gelder, um die es dort geht. Allen voran im Fußball. Der Fußball ist längst zum Millionengeschäft geworden. Branchenführer wie der FC Barcelona, Real Madrid oder Bayern München generieren pro Jahr rund eine halbe Milliarde Euro Umsatz. Das riesige Interesse der Öffentlichkeit führt zu TV-Verträgen wie dem in der englischen Premier League, mit der Folge, dass den Vereinen noch mehr Geld zur Verfügung steht. Dieses wird vornehmlich in Spielertransfers und Gehälter investiert – wenn auch nicht ausschließlich.
Fußballer unter sich: eSports mit FIFA und darüber hinaus
Denn die ersten Clubs haben nun begonnen, sich ein weiteres Standbein aufzubauen: Sie investieren in den elektronischen Sport. Die einen bleiben dabei ihrem Thema treu und fokussieren sich auf das erfolgreichste Fußball-Computerspiel der Welt, nämlich FIFA. Auch kommerziell hat die FIFA-Serie, die es bereits seit den Neunzigern gibt, ein neues Kapitel aufgeschlagen. So sind die Einnahmen aus den Spieleverkäufen längst nicht die einzige Ertragsquelle. Im Ultimate Team Modus können Gamer gegen Echtgeld neue Spieler und andere Objekte erwerben. Die Preise dafür sind gesalzen und da die Ingame-Währung, die Credits, bewusst knapp gehalten werden, ist der Schritt zum Echtgeld-Kauf sehr verlockend.
Im eSports spielt der Ultimate Team Modus keine Rolle, er zeigt allerdings, in welchen kommerziellen Bahnen sich das Spiel inzwischen bewegt. Viele Hobby-Gamer nehmen das Angebot zum Echtgeldkauf wahr und sorgen bei Hersteller EA für Einnahmen, die es früher nicht gab. Denn damals war das Geldausgeben mit dem Kauf des Spiels abgeschlossen. Heute fließt das Geld während der gesamten FIFA-Saison weiter in die EA-Kasse.
Für den Hersteller ist das eine sehr gute Entwicklung und eSports eignet sich perfekt, die Reichweite der Marke auszubauen und neue (zahlungswillige) Spieler zu gewinnen. Die Investments von prominenten Unternehmen und Personen kommen da gerade recht.
Wolfsburg kauft neue Spieler – für den virtuellen Rasen
Als Werksclub mit Ambitionen ist der VfL Wolfsburg für große Transfers bekannt. Erst im Februar 2015
Selbst eingefleischte Sky-Abonnenten mit Stadion-Dauerkarte und Fan-Jeansjacke wussten damit nicht viel anzufangen. Doch das ist kein Wunder. Salzer ist eher unter dem Pseudonym “Salz0r” bekannt, Fink als “Dani” – und damit war bereits klar, worum es geht. Wolfsburg wittert den Aufstieg des eSports auch in Deutschland und möchte sich frühzeitig ein Stück vom Kuchen sichern. Salzer und Fink gehören zu den besten deutschen FIFA-Spielern und vertreten den VfL nun im virtuellen Fußball.
Genau wie David Bytheway, bei dem wir uns, by the way, immer noch fragen, ob das sein echter Nachname ist. Der Engländer wurde im Februar 2016 verpflichtet und hat seine neue Zugehörigkeit gut angenommen, wie sein Twitter Account zeigt. Während Salzer und Fink für den VfL in der deutschen FIFA-Szene aktiv sind, soll Bytheway vor allem mit seiner internationalen Strahlkraft punkten. Der Brite gilt schließlich als absoluter Shooting-Star in der FIFA-Szene.
Vom Einstieg namhafter Investoren wie Wolfsburg möchte auch FIFA selbst profitieren, oder besser gesagt, Hersteller Electronic Arts. Denn noch vor zwei Jahren befasste sich das Online-Magazin Kicker mit der Frage, ob FIFA überhaupt das Zeug zum eSports-Titel hat. Darüber hinaus stellte das Sportmagazin fest, dass FIFA von Fans anderer eSports-Spiele nur als “kleines” Spiel wahrgenommen wird. Fest steht, dass FIFA mit den Generationen 15 und 16 in Sachen eSports einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht hat. Der Einstieg des VfL Wolfsburg kam also zu einem guten Zeitpunkt und hat dem Spiel weitere mediale Aufmerksamkeit beschert.
Expansionsversuch nett verpackt
Als Begründung führte VfL-Geschäftsführer Klaus Allofs übrigens an, dass FIFA immer realistischer wird. Deswegen möchte man die digitale und die reale Fußballwelt näher zusammenbringen möchte. Hier im O-Ton:
Das ist eine nette Umschreibung für den Versuch, die Marke VfL Wolfsburg in einer Nische zu vermarkten und auf lange Sicht damit Geld zu verdienen. Daran ist nichts verwerflich, aber es ist fraglich, ob dieser Plan auch aufgehen wird. Denn nach wie vor wird eSports von der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Der Versuch von Pro7 Maxx, Counter-Strike: Global Offensive im Massenmarkt zu platzieren, hat bislang keine Wirkung gezeigt. Trotzdem fand Wolfsburg rund ein Jahr später einen prominenten Nachahmer, nämlich tief im Westen, im Herzen der deutschen Fußballkultur.
Schalke 04 steigt in League of Legends ein
Spätestens seit der Ära von Felix Magath auf Schalke (2009 – 2011) sind die Königsblauen nicht dafür bekannt, geizig zu sein. Klotzen statt Kleckern ist in Gelsenkirchen angesagt, und diese Philosophie setzt der Verein auch im eSports um. Ziel der Transferbemühungen waren allerdings keine FIFA-Spieler, sondern ein komplettes League of Legends Team – das bekannte Team Elements. Dieses wurde noch ergänzt und besteht nun aus acht Spielern und einem Coach; ähnlich wie beim Fußball also. Bloß, dass die Positionen nicht Innenverteidiger, Flügelspieler und Mittelstürmer heißen, sondern Top, Jungle, Mid, ADC und Support. Auf der offiziellen Website sieht das so aus:
Auf den ersten Blick offenbaren sich die Gemeinsamkeiten zwischen League of Legends und Schalke nicht wirklich. Während LoL erst relativ kurz existiert, aber eines der erfolgreichsten Multiplayer-Spiele der Welt ist, wartet Schalke seit Urzeiten auf den ersten Meistertitel. Immerhin haben beide Marken viele Fans. Dementsprechend hoch sind die Sponsoren- und Preisgelder in LoL inzwischen, wie esportsearnings.com zeigt. Die Seite befasst sich ausschließlich mit den Preisgeldern erfolgreicher eSports-Titel. Wie verlässlich die Daten sind, ist nicht erwiesen, doch nimmt man sie als wahr an, wurden in LoL seit 2010 über 29 Millionen US-Dollar an Preisgeldern ausgeschüttet.
Umgerechnet auf insgesamt 1.720 Turniere bedeutet das rund 17.000 Dollar pro Turnier, und dieser Betrag ist absolut glaubhaft. Alleine bei der LoL Weltmeisterschaft 2015 bekam das Siegerteam eine Million Dollar, für Platz 2 gab es 250.000 Dollar und für Platz 3 150.000 Dollar.
Wachsender Markt: Die Chance ist jetzt
Dort sieht man auch, dass die Prämien in den letzten zwei Jahren sprunghaft angestiegen sind. Grund genug für Schalke, um einzusteigen. Große Turniere konnte das königsblaue Lineup bislang nicht gewinnen, doch mit dem Team Elements ist man bereits relativ weit oben dabei. Und obwohl keine Zahlen zu dem Deal bekannt sind, darf man davon ausgehen, dass die Kosten für das Team nicht ansatzweise in den Regionen einer einzelnen Magath-Verpflichtung sind. Und davon gab es eine ganze Menge.
Es bleibt also genug Budgetspielraum übrig, um weiter zu investieren. Genau das hat Schalke nämlich vor. Das LoL-Team soll nur der Anfang gewesen sein, wie Team-Manager Jacob Toft-Andersen bestätigte. Als sehr wahrscheinlich gilt der Einstieg in Dota 2, ebenfalls ein MOBA wie League of Legends, und natürlich FIFA. Außerdem sieht sich die Schalker eSports-Abteilung den neu erschienenen Blizzard-Shooter Overwatch genauer an. Entscheidend wird sein, ob sich Overwatch im eSports etablieren können wird. Mit StarCraft hat Blizzard bereits bewiesen, dass kompetitive Titel in der DNA der Spieleschmiede liegen.
West Ham United: erster Premier League Club mit eSports-Investment
West Ham United gehört zu den Traditionsvereinen der britischen Premier League. Große Erfolge konnte der Club jedoch schon seit Jahrzehnten nicht mehr verbuchen. Damit die Titelsammlung endlich wieder wächst, nahm West Ham den 24-jährigen Sean Allen unter Vertrag. Sean Allen möchte lieber “Dragonn” genannt werden, da er unter diesem Namen zur Elite der FIFA-Gamer gehört.
Verständlicherweise präsentiert West Ham den Neuzugang mit allem dazugehörigen Pathos. So bekam Allen alias Dragonn feierlich ein Trikot mit der Nummer 50 überreicht und darf sich auf seinem Twitter-Account als Professional FIFA Player for West Ham United bezeichnen.
Unabhängig davon, ob Dragonn in Zukunft große e-Erfolge für die Hammers einfährt, hat es der Club immerhin geschafft, endlich einmal erster zu sein. Denn West Ham ist der erste Verein der Premier League, der einen eSports-Profi in seinen Reihen hat.
Zusammen mit Schalke und Wolfsburg sind damit inzwischen drei Vereine im eSports aktiv. Einige andere Clubs werden das Geschehen ganz genau verfolgen und zu gegebener Zeit auf den Zug aufspringen.
eSports ohne amerikanische Beteiligung? No way!
Wenn von Geld, Kommerz und Konsum die Rede ist, darf die USA natürlich nicht fehlen. Eines der Aushängeschilder des American Dream ist Shaquille O´Neal.
Der stattliche Ex-NBA-Superstar war schon immer auch neben dem Parkett aktiv, zum Beispiel als Schauspieler. Und jetzt auch als Investor: O´Neal ist seit Anfang 2016 an NRG eSports beteiligt. Die beiden Baseballstars Alex Rodriguez und Jimmy Rollins aus der amerikanischen MLB schlossen sich diesem Vorhaben an und erhöhten die Finanzspritze für NRG. NRG ist primär in League of Legends und inzwischen auch in CS:GO aktiv. Gegründet wurde NRG eSports übrigens von zwei Teilbesitzern des NBA-Teams Sacramento Kings, an denen Shaq O´Neal seit 2013 ebenfalls Anteile besitzt.
Die Verflechtungen zwischen echtem Sport und eSports schreiten also voran. Dazu passt auch, dass das Investment in NRG von vielen als Antwort auf Echo Fox verstanden wird. Echo Fox wurde Ende 2015 von Rick Fox gegründet. Fox ist ehemaliger Basketballspieler, bei den Los Angeles Lakers spielte er damals sogar mit O´Neal zusammen. Doch im Gegensatz zu diesem ist Fox nicht nur ein reiner Investor: Fox gilt als passionierter Gamer und League of Legends Fan. Als solcher tritt er aktiv in Erscheinung, um eSports generell zu bewerben; Fox sieht sich als eine Art Gallionsfigur der digitalen Disziplinen und ist häufig als Gast bei großen Turnieren anzutreffen. Genau wie NRG eSports setzt übrigens auch Echo Fox auf League of Legends und CS:GO.
Dass diese Auswahl kein Zufall ist, zeigt sich im Folgenden.
eSports-Wetten im Boom – Marc Cuban ebenfalls beteiligt
Je beliebter eine Sportart ist, desto größer sind die Auswüchse. Zum Beispiel die Sportwetten, denen bis heute ein anrüchiges Image anhaftet. Marc Cuban ist das egal: Der Self-Made-Milliardär, der nebenbei Besitzer der Dallas Mavericks (inkl. Dirk Nowitzki) ist, ist an unikrn.com beteiligt. Unikrn stammt aus den USA und bezeichnet sich selbst als führender eSports-Buchmacher. Ob das nun stimmt oder nicht, heißt es zumindest, dass nicht nur Computerspieler Geld verdienen können, sondern auch deren Fans.
Für viele Menschen außerhalb des eSports könnte das eine Neuigkeit sein, für Insider allerdings nicht. Denn bereits jetzt sorgt eSports für beeindruckende Umsätze bei Wettanbietern. Als Vergleichswert dienen Zahlen aus dem echten Fußball, und zwar die Wetteinsätze beim Champions League Finale.
- 2015 lagen die Wetteinsätze bei eSports-Events bereits bei 60 Prozent des Champions League Finales
- in der Bilanz von 2016 werden die eSports-Einsätze sogar größer sein als die des Finales in der Königsklasse (Prognosen rechnen mit 160 Prozent)
Was diese Bilanz eigentlich bedeutet, schreit schon fast nach einer Info-Box. Hier ist sie:
[note style=”info” show_icon=”true”]Nur gemessen an den Wetteinsätzen ist eSports schon heute “größer” als das Finale der UEFA Champions League![/note]Und das führt natürlich zu gewissen Problemen. Denn je höher das Wettvolumen ist, desto größer das Risiko von Manipulationsversuchen. Besonders dann, wenn die Wettumsätze im Verhältnis zu den Spielergehältern sehr groß sind. Und das sind sie aktuell: Einige Shooting-Stars verdienen zwar viel Geld im eSports, die Durchschnittsgehälter sind jedoch nicht mit denen in den echten Fußball-Spitzenligen vergleichbar.
Die Betrugsgefahr ist also sehr groß und das ist nicht nur eine Theorie, sondern trauriger Fakt. In Südkorea, dem eSports-Land Nummer 1, gab es bereits mehrere Skandale. Der Starcraft 2 Spieler Lee “Life” Seung Hyun wurde Anfang 2016 wegen Matchfixing angeklagt und für schuldig befunden. Seine Haftstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt; “Life” steht nun also unter strenger Beobachtung und sollte die Füße besser still halten.
Interessant ist auch der Blick auf die Wetteinsätze je nach Spiel:
[callout style=”blue” centertitle=”true” align=”center”]- 69 Prozent aller Wetteinsätze gehen an League of Legends
- 15 Prozent an CounterStrike: Global Offensive (CS:GO)
- 10 Prozent an DOTA 2
- 6 Prozent an StarCraft 2
League of Legends führt meilenweit und auch hier sind die Wetteinsätze eine gute Projektion der Marktverhältnisse. Denn auch bei den Preisgeldern und den weltweiten Zuschauern liegt LoL deutlich vorne. Dass Schalke mit dem Team Elements am erfolgreichsten eSports-Titel der Welt teilhaben will, scheint also keine schlechte Idee zu sein. Das Timing passt ebenfalls: 2016 explodieren die Wetteinsätze im eSports so richtig. Die eingesetzten Beträge alleine von Januar bis Ende März 2016 machen rund zwei Drittel aller jemals im eSports getätigten Wetteinsätze aus.
Wird Cubans guter Riecher auch im eSports fündig?
Man muss also kein erfolgreicher Ultrakapitalist wie Mark Cuban sein, um die Gelegenheit zu erkennen. Das Investment des Milliardärs ist nur ein weiterer Indikator für das wachsende Marktvolumen im eSports. Gerüchten zufolge steckte Cuban zusammen mit einer Investmentgruppe 7 Millionen US-Dollar in die Wett-Plattform. Gemessen an den Verhältnissen in der NBA sind das fast Peanuts.
Man darf also damit rechnen, dass weitere große Namen in das Zukunftsversprechen namens eSports einsteigen werden. Ab einem gewissen Grad verselbständigen sich solche Trends und es ist gar nicht mehr so wichtig, wie viel das Produkt tatsächlich wert ist. Sollte dieser Status eines Tages eintreten, wird eSports nicht mehr nur der spielenden Bevölkerung ein Begriff sein, sondern auch dem Normalverbraucher.
Genau wie der echte Fußball also. Zu welchen Dimensionen das runde Leder in der Lage ist, weiß inzwischen jeder. Langsam deutet sich an, dass eSports ein ähnliches Potenzial besitzt. Es kann also sein, dass leidige Themen wie die Fußball-WM 2022 in Katar bis dahin kein Problem mehr sind, weil sich die Menschen ohnehin lieber für die League of Legends Weltmeisterschaft vor dem Fernseher treffen.